Schweizerische Tagung der
personalärztlichen Dienste
im Gesundheitsdienst

Die Hand an der Arbeit
Lausanne - CHUV
18-19 november 2004

Wissenschaftliche Tagung der
Schweizerischen Gesellschaft
für Arbeitsmedizin

Vorsorge bei Kontakt mit biologischen Flüssigkeiten : Hindernisse für die Befolgung

Sophie Farine, Patrick Francioli, Frédéric Zysset
Médecine du personnel, Division autonome de Médecine préventive Hospitalière
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), Lausanne, Suisse

Einleitung: Die beruflichen Kontakte mit biologischen Flüssigkeiten beinhalten die Gefährdung der Übertragung eines infektiösen Agens, hauptsächlich Hepatitis-Viren und HIV. In der Schweiz sind es 6 Fälle von HCV-Übertragung zwischen 1997 und 2001 und

3 Fälle von HIV im Laufe der letzten 10 Jahre. Obwohl das Kontaminationsrisiko relativ klein ist, bleibt jede Verletzung für den Betroffenen eine Besorgnis und führt zu vielfach komplexen und kostenträchtigen Schritten, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. Anderseits, verpflichtet das Gesetz den Arbeitgeber alle nötigen Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten zu treffen. Der CHUV hat seit langem Schutzmassnahmen und Massnahmen bei Exposition zu biologischen Flüssigkeiten implementiert und hat für die Mitarbeiter regelmässig Empfehlungen erlassen. Da die Analyse der Unfälle ergeben hat, dass beinahe die Hälfte der Expositionszwischenfälle durch die Anwendung der zur Verfügung stehenden Verhütungsmittel hätten verhindert werden können, hat man eine Verbesserung der Präventionsstrategie zur Verminderung der Expositionsfälle (primäre Prävention), und eine Verbesserung der Betreuung dieser Fälle, namentlich durch Aufmunterung zur Meldung der Zwischenfälle, in Angriff genommen.

Methoden: Um die festgesetzten Ziele zu erreichen, wurde eine halbe Krankenpflegestelle geschaffen. Man entschied sich für ein systematisches Verfahren in den Pflegeabteilungen in 6 Hauptschritten : 1) Vorbereitung der Kampagne, Überarbeitung der Methodik und Planung, 2) Kontaktaufnahme mit der betreffenden Abteilung, 3) Analyse der in dieser Abteilung vorgekommenen Ereignisse, 4) Check-list-orientierte Analyse der Anwendung der Präventivmassnahmen und Identifizierung allfälliger Probleme bei Anwendung derselben, 5) Vorstellung und Diskussion der Resultate mit allen Mitarbeitern, 6) Plakatkampagne und Beobachtung während 6 Monate.

Resultate und Diskussion: Die Analyse der gemeldeten Zwischenfälle von Januar 2002 bis Juni 2004 hat ergeben, dass 427 von 1063 Expositionen durch einfache Massnahmen wie Verwendung der zur Hand stehenden Entsorgungsbehältern, Verwendung einer Zange zur Entsorgung der Butterfly und das strikte Weglassen von Recapping, hätten vermieden werden können.

Die in den Abteilungen gemachten Beobachtungen betreffend der Anwendung der Präventivmassnahmen erlaubten die Expositionszwischenfälle in fünf Hauptkategorien zu klassieren und folgenden Ursachen zuzuschreiben:

1) Dem Verhalten, d.h. infolge des Nichtrespektierens der elementaren Schutzmassnahmen.

2) Dem gebrauchten Material: zu enge Öffnung an den Entsorgungsbehältern, Fehlen einer angemessenen Ablagefläche, Fehlen einer Zange in Behälternähe, nicht passende Kanülen, Fehlen von verfügbaren gesicherten Hilfsmittel usw...

3) Ungenügenden Weisungen oder Schulung, zu wenig „sicherheitsorientiert".

4) Gewissen Arbeitsgewohnheiten: Blutentnahmen um fünf Uhr morgens, so dass das Pflegepersonal den Rollboy nicht mitnimmt um die anderen Patienten nicht zu wecken.

5) Einem Informations-/Schulungsmangel: Unkenntnis der existierenden Schutzmassnahmen, der Risiken von blutübertragbaren Infektionen, der Entsorgungsmodalitäten usw. Der hohe Personalwechsel und die Arbeitsüberlastung sind hier nachteilige Faktoren.

Die Resultate wurden dem Personal der betroffenen Abteilungen mitgeteilt und besprochen und es wurden, gezielt auf die identifizierten Probleme, Massnahmen getroffen, gefolgt von einer Plakatkampagne über die Präventivmassnahmen. Die Analyse der Anzahl der Expositionen gegenüber biologischen Flüssigkeiten vor und nach dieser Aktion in den Abteilungen zeigte eine beinahe Halbierung der Anzahl der Zwischenfälle. Die Schutzmassnahmen werden öfter angewendet. Ein solches Verfahren ist also wirkungsvoll und führt zu einer Verbesserung und Anpassung der Präventivmassnahmen, indem es erlaubt, die Ursachen einer diesbezüglichen mangelnden Compliance zu identifizieren.